Wir selber bauen unsere Stadt

Unter diesem Titel veröffentlichten Lucius Burckhardt und Markus Kutter 1953 ihren Aufruf zu einer neuen Stadtplanung. Vorangegangen war die Politisierung der beiden Studenten durch den Grossbasler Korrektionsplan von 1948, der vorsah, in der Innenstadt ganze historische Häuserzeilen abzureissen, um dem aufkommenden Autoverkehr Platz zu schaffen. Dieses Engagement wurde für Lucius Burckhardt wegweisend. Die Analyse von Planungs- und Entscheidungsstrukturen – wer plant die Planung? – und die Erweiterung von Planung und Architektur um den soziologischen Blick prägen sein weiteres Leben und Werk. Heute haben alle Architekten und Stadtplaner den Lucius studiert. Bloss merken wir heutigen StadtbewohnerInnen nichts davon. Das Vorwort von Max Frisch zu «Wir selber bauen unsere Stadt» ist auf unheimliche Art aktuell. Er beginnt so: «Es gibt zwei Arten von Zeitgenossen, die sich über die Misere unseres derzeitigen Städtebaus aufregen; die einen, die große Mehrzahl und auch sonst die Mächtigeren, sind die Automobilisten, die keinen Parkplatz finden; die anderen sind die Intellektuellen, die in unserem derzeitigen Städtebau etwas anderes nicht finden: Sie finden keine schöpferische Idee darin, keinen Entwurf in die Zukunft hinaus, keinen Willen, die Schweiz einzurichten in einem veränderten Zeitalter, keinen Ausdruck einer geistigen Zielsetzung – das macht noch nervöser, als wenn man keinen Parkplatz findet.»

Auch wir, BewohnerInnen aus dem Klybeck und Kleinhüningen, finden keine schöpferische Idee, keinen Entwurf in unsere Zukunft und nur einen zutiefst befremdlichen Ausdruck einer rein ökonomischen Zielsetzung in den Modellen, welche zur Zeit unter dem Namen «Rheinhattan» und «Vision 3Land» beim Planungsamt als Grundlage dienen für den Bau eines neuen Stadtteils auf dem Areal des Klybeckhafens. Modelle, die eher an Planungsideen aus den 90ern erinnern als an zukunftsweisende Konzepte unter Berücksichtigung der heutigen Herausforderungen im ökologischen und sozialen Bereich.

Weil wir gerne in unserem Stadtteil leben und weil wir nicht wollen, dass in unmittelbarer Nachbarschaft und zu unserem Schaden Basels nächste Planungssünde realisiert wird, sammeln wir Verbündete.

Wir, eine Gruppe von Menschen, die im Klybeck und in Kleinhüningen wohnen, arbeiten oder uns mit den Quartieren verbunden fühlen, finden unseren gemeinsamen Nenner vor allen darin, was wir nicht wollen. Gleichzeitig stecken wir voll von unterschiedlichen Ideen, wie wir uns für die Zukunft unserer Stadt, unseres Stadtteils, engagieren wollen und in welcher Art und Weise sich das Hafenareal verändern soll.

Unser gemeinsamer Nenner:

  • Die an der Uferstrasse im Sommer 2012 präsentierten Modelle sind auf sehr verdichtetes und hohes Bauen für Grossinvestoren reduziert. Die Modelle stehen für die Idee, dass mit dem Bau eines neuen Stadtteils Geld er­wirt­schaftet wird, mit welchem der Umbau des Hafens finanziert wird. Damit sind wir nicht einverstanden.
  • Wir wollen, dass eine allfällige Neunutzung des Klybeckquais die Wohnqualität der heutigen BewohnerInnen der Quartiere Klybeck und Kleinhüningen unmittelbar verbessert, dass die heutigen BewohnerInnen bestimmen, was «Qualität» in ökologischer, sozialer und kultureller Hinsicht ist und ob «Verbesserungen» überhaupt nötig sind.
  • Wir wollen nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Deshalb dürfen bis auf Weiteres keine auf Dauer ausgelegten Gebäude neu errichtet werden. Der Boden am Klybeckquai darf nicht an private Investoren verkauft werden.
  • Im Klybeck liegt das durchschnittliche steuerbare Einkommen bei 43’000 Fran­ken, auf dem Bruderholz bei 129’371. Das Durchschnittsvermögen beträgt im Klybeck 52’700 Franken, auf dem Bruderholz 2,34 Millionen. Wir sind dagegen, dass die Stadtentwicklung davon ausgeht, dass Leute mit wenig Geld dem günstigen Wohnraum hinterher zügeln oder den Kanton verlassen müssen. Das Wohnen im Klybeck und in Kleinhüningen muss günstig bleiben.
  • Wir haben unterschiedliche Ideen, wie die Neunutzung des Klybeckquais aussehen könnte. Einige von uns sehen den Hafenrückbau als Chance für den Bau eines neuen ökologischen und sozialen Stadtteils. Sie finden dazu viel Inspiration in Wohnprojekten in anderen Städten – bloss nicht in den Modellen des Planungs­amts. Andere sind der Überzeugung, dass in Basel-Nord definitiv schon genug gebaut wurde, und manche sind alarmiert, weil sich im Klybeck erste Zeichen von spekulativem Hauskauf ausmachen lassen. Gemeinsam wollen wir eine Strategie entwickeln, wie Verdrängung verhindert werden kann.